Reisebericht: Die Reise nach Jerusalem – Teil 2 (Hebron)
Déjà-vu in Hebron
Ich hatte viele Eindrücke auf dieser Reise, die mich in zum Teil lange zurückliegende persönliche Erlebnisse zurück katapultierten.
Die Bilder der Prätorianergarde der deutschen Bundespolizei in Brokdorf und Gorleben, die Bilder der martialisch auftretenden Polizei vom G20-Gipfel aus Hamburg. Alles war wieder präsent beim Anblick der bis auf die Zähne bewaffneten israelischen Sicherheitskräfte in Hebron, im Süden des besetzten Westjordanlandes.
Menschenleere Straßen inmitten des normalerweise pulsierenden Lebens arabischer Großstädte. Zwangsweise geschlossene Ladenzeilen mit 1800 Geschäften, alles zur vermeintlichen Sicherheit weniger hundert Siedler im Herzen einer gewachsenen Urbanität.
Einzelne Häuser, einzelne Wohnungen ja einzelne Zimmer besetzt von radikalen Siedlern. Um sie herum wird ein Sicherheitskordon gezogen, in dem israelisches Militärrecht gilt. Israelisches Militärrecht, das alle anderen geltenden Rechtssysteme in dieser Region aushebelt.
Radikale Siedler, die dort als Stachel im Fleisch der palästinensischen Autonomie wirken, geschützt von hochgerüsteten israelischen Sicherheitskräften. Auf den Dächern der besetzten Häuser befindet die Fahne einer Armeebrigade, die besonders konsequent die Interessen des israelischen Siedlerstaates verfolgt und verhasst bei den Palästinensern ist.
Radikale Siedler, die kein Interesse an einer friedlichen und gedeihlichen Nachbarschaft mit den Palästinensern haben. Ihre Miss- und Verachtung drücken sie dadurch aus, dass jede Schamgrenze im Zusammenleben gebrochen wird. Wie ist es sonst zu erklären, dass Siedler ihren Müll aus höher gelegenen Stockwerken ohne jegliche Hemmung in die Straßen der palästinensischen Bevölkerung kippen?
Beim Betreten der Altstadt von Hebron wunderte ich mich, dass ein vermeintlicher Sonnenschutz aus Gitternetz gebaut worden war. Bis ich aufgeklärt wurde, dass dieses Konstrukt keinen Schutz gegen die Sonne, sondern gegen den Müll der Siedler bieten sollte.
Blau-weiße Fahne mit dem Davidstern
Man versetze sich einmal in die Situation der Palästinenser: es ist durchaus geschehen, dass über Strohleute Wohnungen in der Altstadt von Hebron angemietet wurden. Beim Einzug der neuen Mieter wurde als erste Aktion die blau-weiße Fahne mit dem Davidstern gehisst. Es besteht keine Chance für die palästinensischen Vermieter, diese missliebigen Mitbewohner wieder loszuwerden.
Nachbarschaftliche Selbsthilfe, in dem man zur Tat schreitet, die Verschmutzer zur Ordnung ruft und in die Schranken weist, kann einen längeren Gefängnisaufenthalt zur Folge haben, denn schon die Berührung eines Siedlers ist ein Verstoß gegen das geltende Militärrecht und wird mindestens mit U-Haft verfolgt.
Die letzte Nachricht vor unserer Abreise Mitte Oktober 2018: das israelische Kabinett hat den Bau von 31 weiteren Häusern in Hebron beschlossen.
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Galerie: Hebron