Leseprobe: Die strahlende Grube
12.04.2009, Mydlovary, Südböhmen
Der pensionierte Lehrer Petr Hlinka hatte vor fünfundsiebzig Jahren in Mydlovary das Licht der Welt erblickt. Nur zu seinem Lehramtsstudium an der Pädagogischen Fakultät in Prag hatte er die Gegend freiwillig verlassen, und es war selbstverständlich für ihn, nach dem Studium wieder in seine südböhmische Heimat zurückzukehren.
Im Laufe der Jahrzehnte war das eine oder andere öffentliche Amt dazugekommen, sei es das des Ratsherrn oder später über lange Jahre das des Bürgermeisters seines Heimatortes, denn sein Lebensmotto war es, für seine Mitbürger und die nachfolgenden Generationen die Schöpfung zu bewahren, wie er sagte. Damit hatte er reichlich zu tun. Das strukturschwache Südböhmen mit seiner locke-ren Besiedelung war immer wieder Anlaufpunkt für Investoren, die hier weniger Widerstand gegen Großvorhaben erwarteten als in anderen Regionen Europas. Dabei spielte es keine Rolle, ob es um Vorhaben der Müllverbrennung ging oder gar um ein atomares Endlager für Atommüll. Südböhmen stand immer auf der Liste möglicher Standorte.
Hlinka war bei allen Widerstandsaktionen der Bevölkerung dabei gewesen, wenn sie sich gegen mögliche Umweltbelastungen durch Industrieanlagen wandte. Und man fand ihn auf allen Bürgerversammlungen, bei denen man sich im Laufe der Jahrzehnte mit der immer gieriger nach Flächen grei-fenden Bergbau-, Energie- und Entsorgungswirtschaft herumschlug. Es bestanden ja schon eine Menge solcher Anlagen hier, darunter die Deponie, die im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel stank. Wie oft hatten er und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter die Behörden auf die zum Teil ext-reme Geruchsbelästigung hingewiesen. Ein klares Indiz für Ausgasungen von Methan. Aber nichts passierte. Man ließ Gras über die Sache wachsen, und dem unwissenden Spaziergänger war sicher nicht bewusst, was sich unter der friedlich wirkenden Landschaft verbarg: Uranschlamm.
Auch Hlinka ging an diesem Morgen hier wie gewohnt mit seinem Hund die übliche Runde, ließ ihm eine lange Leine und reagierte erst auf dessen Verhalten, als er bemerkte, dass sein tierischer Begleiter auf die Deponie gesprungen war und etwa zwanzig Meter vom Rand entfernt aus einem nicht erkennbaren Grund eine Vertiefung verbellte.
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