Reisebericht: Der Zaun – Flüchtlinge an der serbisch-ungarischen Grenze
16.9.2018 Reise nach Budapest
Ein ambivalentes Gefühl, wie immer, wenn ich allein mit dem Flugzeug unterwegs bin. Weiterreise nach Szeged, an die serbisch-ungarische Grenze, ein Ort voller persönlichster Erinnerungen.
Szeged, vor drei Jahren Anfang September ein Ort, an dem ich stolz war, ein Deutscher zu sein.
Angela Merkels Worte „ Wir schaffen das!“, Schulterklopfen von den Flüchtlingen an der serbisch ungarischen Grenze im nahegelegenen Örtchen Röszke. Viel Lob und Anerkennung von den internationalen Freiwilligen, die direkt am Zaun oder am Bahnhof Szeged die Geflüchteten in Empfang nahmen, ihnen erste Orientierung gaben.
Hasserfüllte Blicke von den Faschisten der ungarischen „Jobbik-Partei“, als diese an der Grenze zu Serbien Jagd auf Flüchtlinge machten und die internationale Öffentlichkeit als Zeuge vor Ort war.
Stacheldraht
Vier Wochen später im September kam dann der Schock. Die gleiche Stelle am serbisch-ungarischen Grenzzaun, Rollen aus NATO-Draht verhinderten Grenzübertritte, ein offener Viehwaggon, über und über mit Stacheldraht überzogen, war auf dem Gleis nach Serbien, dem Fluchtweg der Zehntausende, als ultimative Sperre aufgefahren worden.
Diese offenen Viehwaggons sind Symbol der Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, aber auch Symbol des Holocaust. Hier ist es das Symbol der Festung Europa.
Auf dem Bahnhof in Szeged, eine Plakette zur Erinnerung an den Massenmord an den ungarischen Juden im Jahr 1944: ein von Stacheldraht umgebener offener Viehwaggon.
Wieder ein paar Monate später: Die Grenze ist dicht, es wird an den Befestigungsanlagen der Festung Europa gearbeitet. Nur wenige Minuten, nachdem ich in die Nähe des Zaunes gefahren war, umringten mich drei Fahrzeuge der ungarischen Polizei.
Welch gut funktionierendes Grenzregiment, hier kommt kein Mäuschen durch, Respekt Herr Orban.
Hinsichtlich der Gestaltung der Wachttürme besteht dringende Nachbesserung im Design. Hat man der Einfachheit halber die alten Baupläne der Lager übernommen, in denen die ungarischen Juden vor dem Abtransport nach Auschwitz zusammengepfercht wurden?
Der für den Abtransport hunderttausender ungarischer Juden verantwortliche Offizier war SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann. Einer der Männer, die mit ihm in Budapest zur Seite standen, spielt im zweiten Band „Kapplers Hut“ eine zentrale Rolle.
In Budapest haben sechs SS-Offiziere den Abtransport organisiert. Die Drecksarbeit aber haben ungarische Antisemiten und Faschisten von der sogenannten „Pfeilkreuzler-Bewegung“ erledigt.
Deren Enkel im Geiste sitzen für die „Jobbik“ im ungarischen Parlament. Diese unterstützen die nationalistische Politik des CSU-Freundes Viktor Orban nach Kräften.
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